Die Gastlichkeit in Bremm an der Mosel (oder ein Mangel an derselben) wurde zum Wermutstropfen bei der tollen Wanderung über den Calmont-Klettersteig.
Von Susanne Böhling
Der Plan: Bewegung und Genuss an der Mosel
Eine Ausweichmöglichkeit gab es nicht. Entweder an diesem – letzten – Oktoberwochenende oder erst wieder im nächsten Jahr. Das erschien uns zu lange hin, seitdem wir Blut geleckt hatten. Zusammen mit Ruderkameradin Birgit Holczer wollten wir den steilsten Weinberg Europas zwischen Ediger-Eller und Bremm an der Mosel erwandern. Anschließend schön essen, lecker Wein trinken und in einer günstigen Pension übernachten. Und am anderen Morgen beizeiten nach Hause fahren.
Das Saisonende macht die Quartier-Suche schwierig
Es dauerte dann aber eine ganze Weile, bis ich endlich eine Wirtin, die ich in Bremm an der Mosel ans Telefon bekam, die an unserem Termin noch offen hatte und nicht belegt war. Dennoch zögerte sie, uns zwei Einzelzimmer zu vermieten. “Das Heizen ist teuer” begründete sie. Also bot ich ihr fünf Euro zusätzlich auf den regulären Preis. Schließlich wollten wir niemanden übervorteilen und ich wurde auch langsam ungeduldig.
Gänsehaut: Nackte Tatsache im ungeheizten Bad
Als wir verschwitzt, aber allerbester Dinge kurz nach 17 Uhr in Bremm ankamen, öffnete uns ein Frau mit einem freundlichen Lächeln die Tür und führte uns durch einen kalten Flur in die erste Etage. Sie zeigte uns die Zimmer, in denen es kein bisschen wärmer war und drehte bei dieser Gelegenheit am Heizungsventil – auf “2”. Auch das Bad, in dem wir jetzt dringend eine Dusche nehmen wollten war bis dahin noch völlig ungeheizt und wurde auch nicht mehr angemessen warm, bis wir duschen gingen. Unsere Körper reagierten prompt mit der entsprechenden Gänsehaut.
Sauber ist nicht rein
Besonders unangenehm: Der orange 70er-Jahre-Hocker hatte einen Plüschbezug, der einen leicht braunen Flecken aufwies. Auch wenn das Etablissement wirklich sauber war, bei so einem Plüsch auf einem Hocker im Bad ist “rein” ein Muss! So war das doch ein bisschen eklig – und unnötig. Ohne diesen Bezug hätte er seinen Zweck genauso gut. Aber vielleicht sollte er auch als Abschreckung dienen – wäre der Hocker benutzt worden, wäre er vielleicht schon kaputt gegangen. Ein No-Go bei der Sparsamkeit der Wirtin.
Der schmale Grat zwischen nostalgisch und lieblos
Die Zimmer versprühten nicht gerade viel Charme. Auch nicht der Frühstücksraum, den man uns zum gemütlichen Beisammensein anbot. Nichts gegen Einrichtungsgegenstände aus den 50er bis 70er Jahren – sie wecken herrlich nostalgisch Erinnerungen an Kindheit und Jugend.
Aber das hier war einfach verdammt lieblos eingerichtet.
Das anregende Schlafgemach
So vergrault man Gäste
Das Lächeln hätte sich die Wirtin beim Öffnen der Türe durchaus sparen können. An ihre Freundlichkeit glaube ich inzwischen kein bisschen. Wenn wir im nächsten Jahr erneut über den Calmont-Klettersteig wandern (was wir noch immer fest vorhaben), werden wir ganz sicher nicht hier übernachten.
Außerdem hatten wir ja noch was vor: Schön essen, lecker Wein trinken (s.o.). Deshalb brachen wir bald auf. (Nach unserer Rückkehr vom Essen hatte die Wirtin die Heizung in Birgits Zimmer übrigens wieder runter gedreht, die Birgit höher gestellt hatte.)
Die berühmten Wildwochen in Bremm an der Mosel
Der erste Gasthof, der offen hatte, offerierte auf seiner Tafel eine Wildspezialität: Hirschgulasch. “Komm, wir gehen noch etwas weiter und schauen mal, was das andere Restaurant auf der Karte hat”, sagte ich zu Birgit und wir kehrten vorerst nicht ein. Auch dort warb man mit “Wildwochen”.
Allerdings fand sich kein Aushang, der uns etwas über die Speisen und ihre Preise mitgeteilt hätte. Also erstiegen wir die Treppe, an deren Ende und ein rotes Schild entgegen leuchtete.
Die fatale Forderung nach Freundlichkeit
Anerkennend nickten wir einander zu: “Toll, dass jemand eine Lanze für das Personal bricht”, sagte Birgit. Wir hatten schon öfter miterlebt, wie sich andere Gäste den Kellnern gegenüber unmöglich benahmen.
An der Theke baten wir um Einblick in die Wildkarte – die man uns wortlos aushändigte. Sie war in der Tat umfangreich und las sich lecker. Also fragten wir nach einen Tisch für 2 Personen. “Wir sind belegt, vor 20 Uhr wird nichts frei”, teilte man uns unwirsch mit. Na, das hätte man uns ja auch eher sagen können. “Nicht gerade freundlich”, und so verzichteten wir darauf, nach den leeren Tischen im hinteren Teil des Raums zu fragen.
Beim Verlassen des Lokals fiel unser Blick erneut auf das Plakat mit der Forderung nach Freundlichkeit. Und wir vermuteten beide: “Vielleicht suchten waren gar nicht das Weite, weil die Gäste unfreundlich waren, sondern die Chefin selbst!” Ohne die Forderung nach Freundlichkeit wäre uns ihr Mangel vielleicht gar nicht so deutlich aufgefallen.
Übrigens war das Hirschgulasch im ersten Restaurant sehr schmackhaft und reichlich.