Schräg klingt sie, die „Internationale“, aus den Lautsprechern im Krefelder Stadtgarten. Hier findet traditionell das Fest zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit statt. „Das habe ich schon schwungvoller gehört“, sagt Uwe. Er hat seine Decke auf der nicht ganz so dicht belegten Wiese Richtung Gericht aufgeschlagen. Schön beschienen von der Sonne nippt er an der Bierflasche. Für ihn als Alt-Achtundsechziger ist das Fest ein Pflichttermin. „Völker hört die Signale“, singt eine Frau ins Mikro im steinernen Pavillon der Parkanlage und den wenigen Menschen, die wirklich zuhören, rollt es die Zehennägel auf, so selten trifft sie die Töne. Sein Kumpel Andreas nickt. „Ohne jede Leidenschaft, ohne jede Emotion. Das reißt nicht mit.“ Jetzt schüttelt er den Kopf.
Sein Blick ruht auf den Ständen der Landsmannschaften der vielen verschiedenen Völker, die sich hier auf dem Fest mit ihren Spezialitäten präsentieren. Alewiten und Kroaten, Eritreer und Griechen, Türken und Portugiesen, sie alle verbreiten einen unwiderstehlichen Duft im Stadtgarten, der alle Vorübergehenden unwillkürlich anzieht. „Schau mal, 4 Euro dieser Teller“, sagt Uwe und zeigt auf eine Vielzahl fremdländischer Köstlichkeiten, deren Namen man nicht kennt, weil sie selten in Restaurants angeboten werden. Ich hatte bereits Frappè, jenen kalten Kaffee, von den Griechen, Bier von den Türken, und die Garnelen der Portugiesen sind ebenfalls super.
Aber nicht nur das: Auch beim Erwerb der Speisen, wurde mir mal wieder bewusst, welches Wunder sich in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft vollzogen hat: Ich blickte zwar in Gesichter, mit fremdländischem Schnitt und dunklerer Hautfarbe in den verschiedensten Abstufungne, aber die Augen blickten klar und offen in die meinen und die Münder sprachen die gleiche Sprache wie ich, wenn sie mich nach meinen Wünschen fragten. „Ohne die Landsmannschaften wäre das Fest längst tot“, knurrt Uwe. Andreas nickt, nippt an seiner Bierflasche und blickt über die Massen. Ich lache: „International bleibt“, sage ich mit einem ironischen Unterton. „Oder vielmehr: Es ist.“