Integration – provokant aufbereitet

Das Theaterstück “Verrücktes Blut” unterhält auf höchstem Niveau

Atemberaubend radikal und brisant unterhielt das Theaterstück „Verrücktes Blut“ das Publikum im ausverkauften Forum Corneliusfeld in Tönisvorst. Das mehrfach und sogar als Theaterstück des Jahres ausgezeichnete Drama stieß in der Inszenierung der Konzertdirektion Landgraf auf breite, begeisterte Resonanz.

Das Stück platzte 2010 in eine Atmosphäre, die durch Thilo Sarazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, ziemlich aufgeheizt war. Es zeigt eine Klasse aus Migranten die sich – zu 100 Prozent dem Klischee entsprechend machohaft und respektlos – dem Projekt zu dem Sturm- und Drang-Dichter Friedrich Schiller verweigert. Erst als der Lehrerin die Pistole aus dem Rucksack eines Schülers in die Hand fällt, kann sie die Klasse zu Mitarbeit und Konzentration auf die Texte zwingen und ihnen eine Sprache und eine ästhetische Form für ihre eigenen Probleme offenbaren. Schließlich geht es in Schillers „Die Räuber“ um Mechanismen in einer Gruppe Ausgegrenzter, die auch heute noch genauso funktionieren. Außerdem geht es hier, wie auch in „Kabale und Liebe“, das ebenfalls behandelt wird, um zwei Frauen, die ermordet werden, weil es die Ehre erfordert.

Das Erleben im Klassenzimmer ist ein Akt der Befreiung für die Schüler, für das Publikum ein Beweis für den Wert und den Sinn von Kunst und Kultur. Doch die Geschichte steckt voller überraschender Wendungen, die vom ersten bis zum letzten Augenblick fesseln.

Johanna Kollet spielt die Lehrerin im strengen Kostüm, die zunächst ohnmächtig ist und dann, mit der Pistole in der einen und dem Reklamheft in der anderen Hand selbst Grenzen überschreitet, die Schüler bloßstellt, sie demütigt und die Regeln der Gewaltlosigkeit missachtet. Taneshia Abt, Sara-Hiruth Zewde, Marios Gavrilis, Moses Leo, Daniele Veterale, Serkan Durmus und Florian Lüdtke agieren in den Rollen der Schüler authentisch, jede Aktion in dem temporeichen Stück kommt auf den Punkt, eine herausragende, handwerklich künstlerische Leistung.

Bis ins Detail ist die Inszenierung durchgearbeitet und wartet auch mit Witz auf. Wenn beispielsweise die Lehrerin die Schüler mit der Pistole zu ordentlichem Deutsch zwingt, ein korrektes „CH“ zu sprechen, wie sie ihre Wut schließlich mit den gleichen Worten äußert, die zuvor aus dem Mund der Schüler das Publikum schockierten.

Weitere Aufführungen des Stadtkulturbundes Tönisvorst

http://www.stadtkulturbund-toenisvorst.de/Spielplan/spielplan.html